Zwischen Naturromantik und antidemokratischen Tendenzen: Umweltbildung im Spannungsfeld von Esoterik und Verschwörungsideologien
Der Fachtag am 20. November 2025, 10:00 bis 17:00 Uhr in Frankfurt/Main richtet sich an pädagogische Fachkräfte und Multiplikator*innen in der Umweltbildung, die zunehmend mit Herausforderungen durch verschwörungsideologische und esoterische Narrative konfrontiert sind. Vor dem Hintergrund wachsender Nachfrage nach Erlebnis-, Wald- und Wildnispädagogik sowie einer romantisierten Naturverbundenheit, die sich auch in sozialen Medien verbreitet, beleuchtet der Fachtag die Schnittstellen zwischen Umweltbildung, Naturromantik und antidemokratischen Tendenzen.
Im Fokus stehen die Verbindungen von esoterischen Weltbildern, alternativ-ökologischen Lebensweisen und demokratiefeindlichen Ideologien, die in den letzten Jahren durch Protestbewegungen und "autoritären Rebellen" in der Corona-Pandemie verstärkt sichtbar geworden sind. Der Fachtag bietet praxisorientierte Inputs und Best-Practice-Beispiele, wie pädagogische Fachkräfte Verschwörungsmythen und Desinformation erkennen, einordnen und handlungsfähig damit umgehen können, ohne unbeabsichtigt entsprechende Narrative zu stärken.
Zudem wird diskutiert, wie Umweltbildung so gestaltet werden kann, dass sie Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit menschenrechtsbasiertem Werteverständnis eine kritische Auseinandersetzung mit verschwörungsideologischen Inhalten ermöglicht. Neben theoretischen Vorträgen umfasst die Veranstaltung Workshops und moderierte Austauschformate, die Raum bieten für Fragen, Reflexion und die Entwicklung erprobter pädagogischer Strategien.
Die Teilnahme ist kostenfrei. Es wird um eine verbindliche Anmeldung gebeten.
Ablauf
10:00 – 10:15 Beginn & Begrüßung
10:15 – 11:15 Input 1 + Diskussion (Yari Or: „Wurzeln und Ordnungen - Naturpädagogik in
Krisenzeiten“)
11:30 – 12:30 Input 2 + Diskussion (Benjamin Winkler: „Verschwörungsdenken -
Zwischen alternativer Meinung und gefährlicher Weltanschauung“)
12:30 – 13:30 Mittagessen
13:30 – 16:00 Workshopphase 3x 2,5h
Workshop 1: „Kritische Umweltbildung –
Esoterische Weltbilder und antidemokratische Tendenzen“ (FARN)
Workshop 2: "Geschlechtergerechtigkeit in der Umweltbildung:
Schwerpunkt Wildnispädagogik" (Eva Densing/naturally equal)
Workshop 3: Antisemitische Verschwörungsideologien in
alternativen Milieus (Projekt ,,Entschwörung Lokal" der Amadeu Antonio
Stiftung)
16:15 – 17:00 Auswertung/Abschied
17:00 Uhr Ende
Programm
Vortrag: „Verschwörungsdenken - Zwischen alternativer Meinung und gefährlicher Weltanschauung“
Das Glauben an Verschwörungen ist sehr alt. Einerseits gab es im Verlauf der Menschheitsgeschichte zahlreiche reale Verschwörungen, welche den Glauben plausibel erscheinen lassen. Andererseits wurden viele Verschwörungserzählungen gezielt von Personen oder Gruppen gebildet, um anderen Personen oder Gruppen zu schaden beziehungsweise deren gesellschaftlichen Einfluss zu verringern und den eigenen zu verbessern. Heute bewegt sich das Verschwörungsdenken genau zwischen einer alternativen Betrachtung von Politik, Kultur, Medien oder Wissenschaft und einer gefährlichen, oftmals antisemitischen Weltanschauung. Auch hat Verschwörungsdenken zahlreiche Parallelen zu einer esoterischen Wahrnehmung und Interpretation von Mensch und Gesellschaft. Viele Menschen tun sich deshalb schwer damit, die konkreten Gefahren des Verschwörungsdenkens zu verstehen. Der Vortrag wird hier anschaulich Gefahren benennen und Indikatoren vorschlagen, die gefährliche Muster in Verschwörungserzählungen verdeutlichen.
Benjamin Winkler, Amadeu Antonio Stiftung
Vortrag: Wurzeln und Ordnungen - Naturpädagogik in Krisenzeiten
Naturpädagogik wird in Krisenzeiten immer wieder ideologisch vereinnahmt – mit dem Verweis auf „natürliche Ordnungen“ als scheinbare Antworten auf gesellschaftliche Unsicherheit. Der Vortrag beleuchtet diese historischen Instrumentalisierungen und fragt nach zeitgemäßen Alternativen. Im Fokus stehen kritisch und emanzipatorisch ausgerichtete Zugänge zur Natur, die nicht nur Verbindung schaffen, sondern auch zu Reflexion und Handlungsfähigkeit für eine gerechte und nachhaltige Zukunft beitragen.
Prof. Dr. Yari Or, Frankfurt University of Applied Sciences
Workshop 1: „Kritische Umweltbildung – Esoterische Weltbilder und antidemokratische Tendenzen“
Wie können wir Umweltbildung so gestalten, dass sie nicht nur ökologisch, sondern auch gesellschaftlich verantwortungsvoll ist? Im ersten Workshop unserer neuen Reihe setzen wir den Fokus auf grundlegende Fragen einer kritischen Umweltbildung – und auf die Herausforderungen, die sich durch das Aufkommen esoterischer und antidemokratischer Strömungen in naturpädagogischen Kontexten ergeben.
Der Workshop bietet einen orientierenden Einstieg ins Thema: Einführung in esoterische Weltbilder, Überblick über antidemokratische Tendenzen in Natur- und Selbsterfahrungsformaten, Einordnung gesellschaftlicher Hintergründe sowie erste Impulse für eine kritische, handlungsfähige Praxis.
Ziel ist es, für problematische Narrative und Ästhetiken in der Umweltbildung zu sensibilisieren und eine gemeinsame Grundlage für die weitere Auseinandersetzung in der Reihe zu schaffen. Neben kurzen Impulsen wird es Raum für Diskussion, Reflexion und Austausch geben.
Sarah von Wintzingerode und Yannick Passeick, FARN
Workshop 2: Geschlechtergerechtigkeit in der Umweltbildung: Schwerpunkt Wildnispädagogik
In den üblichen Fortbildungen zu den Lernfeldern Wildnis-, Natur-, Erlebnis- und Waldpädagogik, sowie fachverwandten Ausbildungen, werden angehende Fachkräfte bisher nicht in Bezug auf das Thema Geschlechtergerechtigkeit sensibilisiert. Hieraus ergeben sich in der Praxis vieler Umweltbildungsveranstaltungen Probleme, unter anderem durch Diskriminierung und die Weitergabe stereotyper, einengender Rollenbilder rund um „Männlichkeit und Weiblichkeit“, binärem Geschlechterdenken und Heteronormativität. Wir erkunden gemeinsam, warum das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der pädagogischen Praxis so wichtig ist und was Fachkräfte der Umweltbildung konkret tun können, um eine diskriminierungssensiblere Lernatmosphäre zu schaffen. Des Weiteren „räumen wir auf“ mit einigen hartnäckigen Missverständnissen, Irrglauben und Pseudo-Biologismen, die sich insbesondere in wildnispädagogischen Kreisen rund um das Thema Geschlecht, Rollenbildern, vemeintlichen „energetischen Polen" und Beziehungen halten.
Eva Densing, Biologin (M.Sc. Biologische Diversität, Ökologie und Evolution) und Wildnispädagogin
Workshop 3: Antisemitische Verschwörungsideologien in alternativen Milieus
Esoterische und naturpädagogische Zugänge arbeiten oft mit positiv besetzten Begriffen wie Ganzheitlichkeit, Natürlichkeit oder Energie. Sie sprechen das Bedürfnis nach Verbundenheit mit einer ursprünglichen, reinen Welt an und geben Orientierung in unsicheren Zeiten. Aus dieser Sehnsucht kann jedoch ein Weltbild entstehen, in dem alles Fremde oder vermeintlich Künstliche als Bedrohung gilt. So entstehen Deutungen, die an antisemitische und völkische Chiffren anschließen. Dazu gehören Vorstellungen von „geheimen Eliten“, „globalen Mächten“ oder „unnatürlichen Einflüssen“, die gegen einen als gut empfundenen Naturzustand agieren und als Ursache gesellschaftlicher Krisen gelten.
Der Workshop zeigt, wie solche Deutungsmuster wirken und in esoterischen oder naturpädagogischen Kontexten auftreten. Er regt an, kritisch zu fragen: Wo kippen spirituelle oder naturbezogene Vorstellungen in Ausgrenzung und Feindbilddenken? Welche Sprache verschleiert antisemitische Zuschreibungen? Und wie können pädagogische Fachkräfte sensibel reagieren?
Projekt ,,Entschwörung Lokal" der Amadeu Antonio Stiftung
Der Fachtag ist Teil unseres Projekts KUBI - Kritische Umweltbildung: Esoterische Weltbilder und antidemokratische Tendenzen.
Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.