07.12.2022
Über den Besuch einer Konferenz von Klimawandelleugner*innen und deren antiquiertes Gesellschaftsbild
Die diesjährige 15. Konferenz zu Klima und Energie, eine Veranstaltung von und für Klimawandelleugner*innen, fand in Braunsbedra im Geiseltal statt. Ausgerichtet wurde die Tagung vom selbsternannten Europäisches Institut für Klima und Energie (EIKE). Der Verein mit Briefkastenadresse in Jena ist die wichtigste Vereinigung von Klimawandelleugner*innen in Deutschland. Der Ort war thematisch passend gewählt: 300 Jahre wurde dort Braunkohle gefördert, die Identifikation mit fossiler Energieproduktion ist immer noch hoch in der Region. Die Konferenz fand in der, mittlerweile zur Eventlocation umgebauten, ehemaligen Zentralwerkstatt statt. Neben der Veranstaltungshalle drehte sich ein vier Meter großes Modell eines mehr als 200.000 Jahre alten Waldelefanten, dessen Knochen im Zuge der Braunkohleförderung gefunden wurden.
Am Eingang des Parkplatzes protestierte das Merseburger „Bündnis für Vielfalt und Zivilcourage“ gegen die Veranstaltung von EIKE. In der Halle versammelten sich knapp 100 Teilnehmende jenseits der 60, überwiegend Männer, aus ganz Deutschland, Tschechien, den Niederlanden und der Schweiz. Auf vielen Namensschildern prangten Doktortitel. Susanne Götze und Annika Joeres sprechen in ihrem Buch Die Klimaschutzlobby treffend von Klimawandelleugnung als Rentnerhobby von Ingenieurswissenschaftlern.
Das Netzwerk der Klimawandelleugner*innen
In seiner Eröffnungsrede machte Holger Thuß, Präsident von EIKE, die Relevanz von EIKE in erster Linie am politischen Gegenwind fest. Er präsentierte Tweets, Artikel und Bücher, die sich kritisch mit dem Verein auseinandersetzen. Auch die bereitgestellte Rückschau auf die 14. Konferenz 2021 in Gera erschöpfte sich in der Sammlung kritischer Beiträge in der Presse und auf Social Media. Die Bedeutung von EIKE wurde von Thuß geradezu heruntergespielt, während er gleichzeitig beklagte, dass es immer schwieriger werde, geeignete Räume und Referenten für solche Konferenzen zu finden.
Entgegen Thuß‘ Selbstverkleinerung ist der Verein durchaus ein gewichtiger Player im Netzwerk der Klimawandelleugner*innen. Mitglieder von EIKE sitzen im Bundesfachausschuss Energie der Alternative für Deutschland (AfD) und haben großen Einfluss auf deren Energie- und Umweltpolitik. Vizepräsident Michael Limburg arbeitet auf einer Teilzeitstelle beim umweltpolitischen Sprecher der AfD, Karsten Hilse, und wirkte am Parteiprogramm mit. Thuß ist politischer Berater des Heartland Institute (Heartland). Heartland gilt als die weltweit bedeutendste Organisation, die den menschengemachten Klimawandel leugnet und wird laut Lobbycontrol von Tabak- und Ölkonzernen finanziell unterstützt. Parallel zur 25. UN-Klimakonferenz organisierten EIKE und Heartland eine Gegenkonferenz, auf der die damals 19-jährige Naomi Seibt als „Anti-Greta“ aufgebaut werden sollte. Auf ihrem mittlerweile gesperrten Youtube-Account verbreitete sie Klimawandelleugnung, Rassismus und verschwörungsideologische Inhalte über die Covid-19-Pandemie. Auf der Gegenkonferenz wurde sie vom rechten US-amerikanischen Nachrichtenportal Breitbart News interviewt. Dort lobte sie Adolf Hitler als großen Naturschützer.
Unwissenschaftlich gegen die Klimalüge
Über dieses Netzwerk und seine Kooperationspartner oder zur engen Bindung an die AfD verlor Thuß kein Wort bei der Eröffnung. Er sprach von Vulkanen, seismischen Aktivitäten und von Mofetten, einem Austrittspunkt für CO₂. Die Zielrichtung war klar: Der steigende CO₂-Gehalt in der Atmosphäre ist natürlichen Ursprungs und hat nichts mit dem Menschen zu tun. Vizepräsident Limburg veranstaltete ein Gedankenexperiment, bei dem er Sonnenlicht nur auf einen kleinen Punkt der Erde scheinen ließ. Er sprach von „Rundumsonne“ und „Grillhähnchen.“ Auch wenn Aufbau und Ausgang des Experiments unklar blieben, war sein Fazit klar: Der Treibhauseffekt hat keinen menschlichen Einfluss. Helmut Alt, angekündigt als „Deutschlands führender Energiewende-Kritiker“ und eng verbunden mit dem Energiekonzern RWE, verdammte mit überschlagender Stimme die Energiewende zum Scheitern, da Photovoltaik und Windkraft aufgrund natürlicher Schwankungen nicht ausreichen würden, den Energiebedarf zu decken. Allerdings unterschlug Alt, dass Energiewende weit mehr als die beiden Erzeugungsarten bedeutet, dass verstärkt Energie eingespart und die Energieeffizienz gesteigert werden muss und es letztendlich ein neues System der Energieversorgung braucht.
Letztendlich bewegten sich alle Vorträge der, ausschließlich männlichen, Referenten auf demselben unwissenschaftlichen Niveau: Zahlen, Daten und Ereignisse wurden aus dem Zusammenhang gerissen und beinahe beliebig aneinandergereiht, um zu zeigen, dass es keinen menschengemachten Klimawandel gäbe. Mittels überladener PowerPoint-Präsentationen wurden grundlegende Überzeugungen der Klimawandelleugner*innen übermittelt: CO₂ ist gut fürs Wachstum, der steigende Meeresspiegel hat nichts mit schmelzendem Arktis-Eis zu tun, für den Klimawandel ist die Sonne verantwortlich und in der Erdgeschichte hätte es schon immer schwankende Temperaturen gegeben.
Diskussionen oder gar Widerspruch gab es keinen. Einig waren sich zudem alle darin, dass die heutige Zivilisation, angeblich möglich geworden erst durch den Klimawandel, bedroht sei durch links-grüne Ideologie, Gendern, Klimaschutz und einen überregulierenden Staat. Ziele und Einstellungen von Veranstaltern und Gästen reichen also über die bloße Leugnung des menschengemachten Klimawandels hinaus. Der Status Quo der bestehenden Ressourcen- und Machtverteilung soll legitimiert und abgesichert werden.
Klimaregressiv – mehr als Klimawandelleugnung
Diese Herausforderungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt bezeichnen Matthias Quent, Christoph Richter und Axel Salheiser im Buch Klimarassismus als Klimaregression. Die Angst vor Privilegienverlust und die Abwehr von gesellschaftlichen Veränderungen eint unterschiedliche Milieus. EIKE ist somit nicht nur ein Sammelbecken älterer Männer, sondern mit seiner „Wissensproduktion“ Stichwortgeber in einem Verbund klimaregressiver Akteur*innen und Strukturen. Die Autoren skizzieren radikal rechte Akteur*innen wie die AfD oder EIKE, Marktradikale wie die Hayek-Gesellschaft und Lobbyvertretungen oder Wirtschaftsverbänden wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Sie eint die Akzeptanz und Verteidigung gesellschaftlicher Ungleichheit. Und mittels Kampagnen und Lobbyaktivitäten nehmen sie Einfluss auf politische Entscheidungsträger*innen. Angesichts der fortschreitenden Klimakrise ist das besorgniserregend. Wichtig ist dabei zu beachten, dass es ihnen um mehr als wissenschaftlich absurde Debatten über Sonnenaktivität und CO₂-Konzentration geht. Sie verteidigen ein rückwärtsgewandtes Gesellschaftsbild, welches auf Diskriminierung und Ausbeutung beruht.
Im Veranstaltungssaal der EIKE-Konferenz ist die Welt aus Sicht der Teilnehmenden noch in Ordnung. Nach einem Vortragsmarathon, unterbrochen durch ein deftiges Mittagessen und Kaffeepause mit Blechkuchen, ist der erste Tag vorbei. Witze über Greta Thunberg und die angebliche Transgender-Ideologie wurden mit Gelächter quittiert. Man kennt sich, meist auch schon die Vorträge, und fühlt sich bestätigt im Kampf gegen eine imaginierte übermächtige grüne Klimalobby. Während die Auswirkungen der Klimakrise offensichtlicher werden, frönen die Teilnehmer der Konferenz einem Gesellschafts- und Wissenschaftsbild, das beinahe so prähistorisch ist, wie der ausgestellte Urzeit-Elefant.