Viel mehr Natur- und Umweltschutzverbände sind betroffen als gedacht
7.9.2020 | Trifft man innerhalb des eigenen Verbandes auf Menschen mit extrem rechten Ideologien oder erfährt man Annäherungsversuche von antidemokratischen Gruppierungen an den eigenen Verband, dürfte das zunächst für große Irritation sorgen. Warum sind die ausgerechnet bei uns aktiv? Oder: Wieso wollen die speziell mit unserem Verband zusammenarbeiten? Und vielleicht auch: Wirken wir nach außen so, als gäbe es bei uns Platz für Menschen mit antidemokratischer Gesinnung?
Oft entsteht dabei der Eindruck, dass man alleine mit diesem Problem dasteht. Denn andere hat man noch nie darüber reden hören. Scham entsteht. Und so bleiben die daraus resultierenden Erfahrungen und vielleicht auch Strategien häufig nur in den jeweilig betroffenen Strukturen. Ein Austausch mit anderen haupt- oder ehrenamtlichen Akteur*innen findet kaum statt. Zu groß scheint die Sorge vor einem möglichen Imageschaden zu sein.
Das könnte jetzt anders werden: Denn viele Natur- und Umweltschutzverbände haben bereits Erfahrungen mit rechtsextremen Ideologien innerhalb ihres Verbandes und auch mit Unterwanderungsversuchen gemacht. Das ergab eine Online-Befragung vom Institut für Diversity, Natur, Gender und Nachhaltigkeit, kurz: diversu e.V.
Im November 2019 hatte diversu eine Umfrage bei den Mitgliedsverbänden des Deutschen Naturschutzrings zur Verbreitung von Rechtsradikalismus in Natur- und Umweltschutzverbänden durchgeführt. Die Studie ergab, dass 25 Prozent der Befragten im Rahmen ihrer Vereinstätigkeiten bereits Erfahrungen mit Menschen mit antidemokratischen Ideologien gemacht hatten. Die Erfahrungen reichen von zugeschickten Informationsmaterialien mit völkisch-ideologischer Gesinnung, rassistischen Vorfällen bei Aktionen und Exkursionen über Mietanfragen und Debatten auf Veranstaltungen oder an Infotischen bis zu konkreten Kooperationsanfragen. Etwa zehn Prozent der Befragten gaben an, dass es innerhalb des eigenen Verbandes Mitglieder mit rechtsradikaler Ideologie gäbe. Da beide Fragen von rund einem Viertel der Befragten zudem explizit nicht beantwortet wurden (angekreuzt wurde dann die Option „keine Antwort“), dürfte die tatsächliche Betroffenheit vermutlich noch größer ist.
Gerade die zunehmenden Vereinnahmungsversuche der AfD machen Austausch und Vernetzung unbedingt notwendig. Nur so können sich Vereine gegenseitig stärken und eine gemeinsame Strategie gegen die Unterwanderungsversuche erarbeiten. Die Online-Befragung kann ein guter Anlass sein, um mit anderen ganz offen ins Gespräch zu kommen. Denn nun steht fest: Mit diesem Problem ist man nicht allein.
Lukas Nicolaisen
Dieser Text ist zuerst erschienen in der Mitgliederzeitschrift der NaturFreunde Deutschlands, NATURFREUNDiN 3-2020