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Zwischen Meditation und Muskeln

4.12.2025

Über die Gefahren der Inszenierung „ursprünglicher Männlichkeit“

Sie joggen halbnackt durch einen nassgrauen Winterwald, essen rohes Fleisch oder sitzen meditierend am Fluss. Auf Social Media inszenieren sich Gesundheits-Coaches, Männermentoren und Fitnessinfluencer zunehmend als Verkörperung einer 'ursprünglichen Männlichkeit'.

Sie wollen Gefühle und Awareness bei Männern ermöglichen und streben nach einer gesunden Männlichkeit. Das klingt gut, und es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich Männer mit ihrer Männlichkeit auseinandersetzen wollen.

Auffällig sind jedoch drei Dinge:

Diese Männlichkeit scheint nur einen Körpertyp zu kennen. Ob sie Liegestütze machen, gemeinsame Atemübungen durchführen oder entrückt im Lotussitz meditieren – die meisten Accounts inszenieren sich mit freiem, muskulösem Oberkörper. Obwohl die Vielfalt männlicher Lebensentwürfe groß ist, bleibt sie auf diesen Kanälen unsichtbar. Väter bei der Hausarbeit oder mit Kinderwagen oder Männer mit Behinderung werden nicht gezeigt. Dadurch entsteht ein eindimensionales Männlichkeitsbild, das die gesellschaftliche Wirklichkeit verzerrt.

Der Zugang zu dieser  angeblich ursprünglichen Männlichkeit wird als rein individuelle Erfahrung inszeniert. Die strukturellen Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen spielen keine Rolle. Frauen erledigen weiterhin einen Großteil der unbezahlten Kinderpflege und Hausarbeit, verdienen im Durchschnitt weniger und haben geringere Aufstiegschancen. Gerade diese und weitere Aspekte sind wesentlich für eine kritische Auseinandersetzung mit Männlichkeit und Geschlechterrollen, werden aber nicht adressiert. Statt gesellschaftlicher Veränderungen setzen viele Anbieter auf die individuelle Entfaltung ‚maskuliner Energie‘ – etwa durch spezielle Yoga-Angebote, bestimmte Ernährungsweisen oder Mindset-Trainings. Während sich viele Influencer auf körperliche Stärke und äußere Selbstinszenierung konzentrieren, bleibt der gesellschaftliche Kontext von Männlichkeit weitgehend außen vor.

Nicht zuletzt stecken hinter all den wohlmeinenden Ratschlägen handfeste Wirtschaftsinteressen. Verkauft werden Meditationskurse, Nahrungsergänzungsmittel oder einfach Werbung mit der Reichweite der Accounts. Die Anbieter folgen hier den Heilsversprechen des Neoliberalismus – und verstärken sie. In der Ideologie des radikalen Individualismus ist der Erfolg nur noch eine weitere Investition entfernt.

Nicht alle Angebote sind problematisch. Gespräche über Suizid und Männergesundheit bieten wichtige Anknüpfungspunkte für einen offeneren Umgang mit Emotionen. Dennoch bleibt in vielen Formaten der Blick auf gesellschaftliche Fragen und eine Reflexion eigener Privilegien ausgeblendet. Eingebettet sind sie in eine Denkweise, die den Widersprüchen und Herausforderungen der modernen Welt eine einfache Männerrolle gegenüberstellt. Das Versprechen in dieser schwarz-weißen Denkart: Folge den Männermentoren und du musst dich mit so komplizierten Dingen wie Genderfragen, Sorgearbeit und der Rolle des Manns in einer sich schnell verändernden Welt nicht auseinandersetzen.

Die vereinfachenden Sichtweisen und die Inszenierung eines archaischen Männerbilds machen diesen digitalen Raum anfällig für Verschwörungserzählungen und rechte Ideologien. Die bunte Mischung aus Gesundheits-, Fitness- und spirituellen Angeboten vermittelt oft eine rückwärtsgewandte Weltsicht, deren ideologische Nähe zu rechten Narrativen schwerer zu erkennen ist als bei offen rechtsextremen Accounts. Dadurch können solche Angebote als Einstiegsplattform in rechtsextreme Denkweisen dienen.

Um einen konstruktiven Dialog über moderne Männlichkeit zu ermöglichen, braucht es Angebote, die Vielfalt zeigen und gesellschaftliche Dimensionen einbeziehen. Social Media kann hier Brücken bauen – vorausgesetzt, es werden nicht nur einfache Antworten, sondern vielschichtige Realitäten abgebildet.

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