
08.02.2023
Viele gehen gerne in Bioläden und kaufen Nahrungsmittel mit Siegeln, die ökologisches und nachhaltiges Essen versprechen. Damit wollen sie die Natur schützen und gesundes Essen erwerben. Manche erhoffen sich auch, einen kleinen Beitrag für eine gerechtere und solidarische Gesellschaft zu leisten. Dass sich unter den Konsument*innen und in der Landwirtschaft völkische und nationalistische Argumentationsmuster erkennen lassen, die „Diskurse um Umwelt-, Tier- und Naturschutz sowie Landwirtschaft lange Zeit stark geprägt“ haben (Hellwig 2019), kann überraschen. Der folgende Blick in verschiedene Programme völkischer und rechtspopulistischer Parteien zeigt exemplarisch auf, dass das Interesse an ökologischer, nachhaltiger Landwirtschaft nicht unbedingt mit einem globalgerechten und solidarischen Gesellschaftsentwurf einhergeht und weit entfernt sein kann von einem ‚guten Leben für Alle‘.
Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)
Im ersten Grundsatzprogramm der NPD von 1973 definiert die Partei ihr völkisches Grundverständnis, indem sie sich von „weltfremden Dogmen“ (NPD 1973, S. 5) distanziert und von einer Gesellschafts- und Bevölkerungspolitik ausgeht, in der die „auch für den Menschen geltenden Naturgesetze“ gelten: „Völker und Staaten, Kulturen, alle Ordnungen in allen Lebensbereichen sind organisch gewachsene und organisch sich weiter entwickelnde Gebilde“ (ebd.).
Menschen und Gesellschaft werden der Sphäre des Natürlichen zugeordnet. Das ist ein Biologismus, der sozialdarwinistische und rassistische Vorstellungen der Wertigkeit von Menschen bedient. Für die Konstruktion eines vermeintlichen Volkskörpers sind diese Einstellungen unabdingbar: Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die NPD von Anfang an einen vermeintlich drohenden ‚Volkstod‘ anklingen lässt, indem sie von einer „Fehlentwicklung“ in der Nachkriegszeit spricht, die „den Organismus unseres Lebensraumes weitestgehend zerstört“ habe (ebd., S. 15).
Dieser völkischen Ideologie liegt „die biologistische Annahme zugrunde, dass der Mensch von den geografischen Gegebenheiten, in denen er geboren wurde und aufwächst stark geprägt ist. So würde die geografische Herkunft sämtliche seiner Charakter- und Verhaltensweisen bestimmen“ (Hellwig 2019). Das Schützen und Bewahren der ‚heimischen‘ Natur ist demnach essenzieller Bestandteil eines extrem rechten Weltbildes.
Im Grundsatzprogramm von 1985 geht die NPD mit einem eigenen Kapitel auf die Zerstörung der Umwelt ein. Das Interesse an Umweltschutz, regionalen Wirtschaftskreisläufen, nachhaltiger, somit auch ökologischer Landwirtschaft ist erkennbar ein völkisches, das auf einen ‚nationalen Sozialismus‘ abzielt: Die NPD kritisiert, dass die „einseitige Ausrichtung an materiellen Werten und ökonomische Zwänge [...] einerseits zur Vernichtung von Natur und Umwelt, andererseits zur Vernichtung der traditionellen Bindungen und Kulturen“ führten (NPD 1985, S. 11 f.). Dadurch werde der Mensch „entfremdet und entwurzelt [und] verliert seine Identität“ (ebd., S. 12). Wirtschaftswachstum sei nur zu vertreten, wenn „es nicht die Vernichtung der natürlichen Landschaft, die hemmungslose Ausplünderung der Bodenschätze und eine Gesundheitsbedrohung des Menschen zur Folge“ (ebd.) habe. Ziel der NPD sei, „die Erhaltung der Gesundheit und des Lebens des deutschen Volkes in einer naturnahen Kulturlandschaft“ (ebd., S. 12 f.). Deshalb müssten umweltschonende Technologien mit Vorrang gefördert und einer weiteren Zersiedelung und Verstädterung des Landes entgegengewirkt werden (vgl. ebd., S. 13).
Im aktuellen Parteiprogramm geht der Ruf nach einem Bauernstaat und die Ablehnung der Industrialisierung einher mit dem Einsatz für mehr Tierwohl: „Die industrielle Massentierhaltung ist abzulehnen. Die kleinteilige bäuerliche Landwirtschaft ist dagegen zu fördern“ (NPD 2013, S. 36). Unter dem Motto ‚Umweltschutz ist Heimatschutz‘ definiert die NPD seit ihrer Gründung eine Landwirtschaftspolitik, die eine Rückkehr zur ‚deutschen Scholle‘ anstrebt. Nichts anderes steht hinter dem „NPD-Konzept der raumorientierten Volkswirtschaft“ (NPD o. D.), das die Förderung regionaler und lokaler Wirtschaftskreisläufe und Wertschöpfungsketten in der Landwirtschaft vorsieht (vgl. ebd.).
Die Partei fordert, dass Bäuer*innen „nicht zu wehrlosen Opfern von Banken, EU-Bürokraten und internationalen Saatgut- und Düngerlieferanten“ (ebd.) werden dürften, und bedient sich damit antisemitischer Bilder und Narrative eines entgrenzten ‚Raubtierkapitalismus‘, der angeblich deutsche Familienbetriebe bedrohe.
Der Dritte Weg
Die faschistische Partei Der Dritte Weg definiert ein Konzept der solidarischen Landwirtschaft. Sie argumentiert, dass dieses „zu 100% der raumgebunden [sic!] Volkswirtschaft entspricht und den Verbraucher wie Erzeuger von landwirtschaftlichen Produkten wieder näher zusammenbringt“ (Der Dritte Weg 2013b). Durch eine solche Landwirtschaftspolitik lerne „der Verbraucher [...] wieder den Wert von heimischen Nahrungsmitteln zu schätzen und der Erzeuger überzeugt durch biologischen Anbau den Endverbraucher“ (ebd.). Selbstversorgung im Sinne eines autarken Staates wird großgeschrieben: „Es gibt keine wichtigere Frage für eine wirtschaftliche Grundordnung als die Sicherung der Ernährung des Volkes durch Qualitätsprodukte aus eigenem Boden. Aus diesem Grund müssen die Futtermittelgrundlage und das Saatgut aus eigener Herstellung gewonnen werden, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass die gesamte Bevölkerung des Landes ohne Warenimporte ernährt werden kann“ (Der Dritte Weg 2013a). Daher soll die Landwirtschaft in besonderem Maße gefördert werden (vgl. ebd.).
Globalisierungsfeindlichkeit und das Befürworten regionaler Wirtschaftsstrukturen werden zusammengedacht mit einem Menschenbild, das von der Existenz verschiedener Völker ausgeht und Wertigkeiten impliziert. Umweltschutz ist auch hier geleitet von einer ‚Blut und Boden‘-Ideologie, die ein sehr exklusives Verständnis von Solidarität beschreibt, das nicht über die ‚Volksgrenzen‘ hinaus gehen soll. „Eine ökologisch verträgliche Landwirtschaft ist der beste Umwelt- und Menschenschutz“ wird unter dem Motto „Gesunde Ernährung für alle Deutschen“ gefordert (ebd.). Die Partei strebt ein ethnisch homogenes Deutschland an. Dieses sei unter anderem bedroht durch permanentes Wirtschaftswachstum und Globalisierung. Der antisemitische Gehalt des Programmes zeigt sich an dieser Stelle durch ein verkürztes, personifiziertes Verständnis der kapitalistischen Ökonomie.
Unter der völkischen Überschrift „Umweltschutz ist Heimatschutz“ fordert die Partei „die Schaffung bzw. Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt, die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes und die Förderung der Gesundheit“ (Der Dritte Weg 2013a.). Ohne umweltfreundliche Politik sei jedes Volk in seiner Substanz gefährdet. Dem Naturschutz müssten daher wirtschaftliche Interessen untergeordnet werden (Der Dritte Weg 2019).
Alternative für Deutschland (AfD)
Auch die AfD bearbeitet das Thema Landwirtschaft. Hierbei agiert sie zweideutig. Auf der einen Seite versucht sie „Landwirte, die gegen strengere Umweltauflagen und steigenden wirtschaftlichen Druck protestieren“ zu erreichen (Balser/Bauchmüller 2020), auf der anderen Seite versucht sie sich als Garant für eine nachhaltige Landwirtschaft darzustellen. Der genauere Blick auf ihr Programm offenbart die neoliberale Programmatik der Partei.
In ihren agrarpolitischen Forderungen orientiert sich die AfD-Fraktion „stark an den Wünschen des Deutschen Bauernverbands und anderer Lobbygruppen“ (ebd.). Sie spricht sich gegen strengere Umweltauflagen aus, gegen strengere Vorschriften bei der Tierhaltung, sie will den privaten Waldbesitz fördern und mehr Wölfe zum Abschuss freigeben (vgl. ebd.).
In ihrem Grundsatzprogramm fordert die AfD, dass „Naturschutz [...] nicht zu Lasten der Menschen gehen“ dürfe (AfD 2016, S. 85). Im Kapitel 13.3 „Tiere sind fühlende Wesen“ spricht sich die Partei „für eine konsequente Umsetzung der Tierschutzgesetze“ aus und betont, dass Tiere „Mitgeschöpfe und keine Sachgegenstände“ seien (ebd., S. 86). Grundsätzlich setzt sich die AfD für die „Forschung und Entwicklung im Bereich der Gentechnik“ ein (ebd., S. 87). Gleichzeitig fordert sie, „die Abhängigkeit unserer Nahrungsmittelversorgung von wenigen multinationalen Großkonzernen zu verringern, die Saatgutvielfalt zu erhalten und damit auch die Biodiversität unserer Nahrungsmittel“ (ebd.).
Im Jahr 2021 hat die AfD-Bundestagsfraktion unter dem Leitmotiv „Deutsche Landwirtschaft stärken“ eine Reihe von Anträgen (AfD 2021a–c) vorgelegt, um beispielsweise „[b]äuerliche Familienbetriebe in Deutschland nachhaltig [zu] schützen und [zu] erhalten“ (AfD-Fraktion 2021c), und damit versucht, Diskussionen aus den landwirtschaftlichen Bereichen aufzugreifen. Die Bundesregierung solle „mit dem Ziel einer umfangreichen Deregulierung alle bestehenden Normen und ordnungsrechtlichen Vorschriften im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) [...] überprüfen, um für landwirtschaftliche Betriebe größere Entscheidungsspielräume [zu] schaffen, den Bürokratieaufwand [zu] reduzieren sowie das wirtschaftliche Wachstum [zu] begünstigen“ (ebd., S. 2). Die (auch internationale) Marktstellung von landwirtschaftlichen Betrieben und die Direktvermarktung von landwirtschaftlichen Produkten sollten gestärkt werden (vgl. ebd. S. 3).
Fazit
Wie viele gesellschaftliche Bereiche sind auch die Landwirtschaft und die ländlichen Regionen Teil des Aktionsfeldes von antidemokratischen, rechtspopulistischen und neonazistischen Gruppierungen und Parteien. Es wird versucht, mit Angeboten an die Landwirt*innen und im ländlichen Raum Einfluss zu gewinnen und so eine stetige ‚Landnahme‘ in diesen Regionen zu erreichen. Ansatzpunkt dafür ist der ‚Heimatschutz‘ als inhaltliches Konstrukt aus den Anfängen der völkischen Bewegung. Gerade die Landwirtschaftspolitik war für alte und neue Rechte immer ein wichtiger Ansatzpunkt für ihre menschenverachtenden Ideologien. Nicht ‚Heimatschutz‘ als exklusives, ausgrenzendes Narrativ, sondern ein gesellschaftlich integrierendes Angebot muss solchen völkischen und rassistischen Ansätzen in der Landwirtschaftspolitik entgegengesetzt werden.
Literatur und Quellen
AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag (2021a): Deutsche Landwirtschaft stärken – Versorgung mit frischem Obst und Gemüse gewährleisten, in: Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Drucksache 19/27697, 18.03.2021. Online: https://dip.bundestag.de/drucksache/deutsche-landwirtschaft-st%C3%A4rken...
AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag (2021b): Deutsche Landwirtschaft stärken – Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln, um Bürgern eine selbstbestimmte und transparente Kaufentscheidung zu ermöglichen, in: Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Drucksache 19/27698, 18.03.2021. Online: https://dip.bundestag.de/drucksache/deutsche-landwirtschaft-st%C3%A4rken...
AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag (2021c): Deutsche Landwirtschaft stärken – Bäuerliche Familienbetriebe in Deutschland nachhaltig schützen und erhalten, in: Deutsche Bundestag, 19. Wahlperiode, Drucksache 19/27699, 18.03.2021. Online: https://dip.bundestag.de/drucksache/deutsche-landwirtschaft-st%C3%A4rken...
Alternative für Deutschland (AfD) (2016): Programm für Deutschland. Das Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland. Online: https://www.afd.de/wp-content/uploads/sites/111/2018/01/Programm_AfD_Onl...
Balser, Markus/Bauchmüller, Michael (2020): Programm mit Stallgeruch, in: Süddeutsche Zeitung, 21.02.2020. Online: https://www.sueddeutsche.de/politik/afd-bauern-landwirte-1.4764413
Der Dritte Weg (2013a): 10 Punkte Programm der Partei Der Dritte Weg. Online: https://der-dritte-weg.info/zehn-punkte-programm/
Der Dritte Weg (2013b): Der Dritte Weg begrüßt das Projekt der „solidarischen Landwirtschaft“. 29.10.2013. Online: https://der-dritte-weg.info/2013/10/der-dritte-weg-begruet-das-projekt-d...
Der Dritte Weg (2019): Ausführungen zum Punkt 7 „Umweltschutz ist Heimatschutz“ des Zehn-Punkte-Programms. 10.1.2019. Online: https://der-dritte-weg.info/2019/01/ausfuehrungen-zum-punkt-7-umweltschu...
Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) (2019): Wenn Rechtsextreme von Naturschutz reden – Argumente und Mythen. Online: https://www.nf-farn.de/system/files/documents/farn_leitfaden_wenn_rechts...
Hellwig, Marius (2019): Auf deutscher Scholle – Landwirtschaft von rechts. Völkische Tradition und aktuelle Strategien. Online: https://www.gen-ethisches-netzwerk.de/agrarpolitik/249/auf-deutscher-sch...
NPD (1973): Das Programm der NPD (Düsseldorfer Programm – Neufassung 1973). Online: https://archive.org/details/NPDDsseldorferProgramm1973/mode/2up
NPD (1985): Nationaldemokratische Gedanken für eine lebenswerte Zukunft. NPD-Parteiprogramm 1985. Online: https://archive.org/details/NPDParteiprogramm1985/page/n11/mode/2up
NPD (2013): Das Parteiprogramm. Arbeit, Familie, Vaterland. Online: https://npd.de/Parteiprogramm_NPD.pdf
NPD (o. D.): Umwelt. Online: https://npd.de/themen/umwelt/
Uwe Hiksch
Uwe Hiksch ist Mitglied des Bundesvorstandes der NaturFreunde Deutschlands.
Dieser Artikel ist Teil unserer Handreichung "Grünes Blatt auf braunem Boden. Rechte Ideologien in der Landwirtschaft".