„Der Mensch ist Teil der Natur und darf folglich nicht mehr beanspruchen als ihm zusteht. Er ist nicht die Spitze der Schöpfung. Er ist nicht der Gebieter über die Natur und über die göttlichen Möglichkeiten. Der Mensch muss sich einfügen in ein natürliches Geflecht.“
Wer hat das gesagt?
Philip Stein im April 2016 bei einem Lesertreffen der Zeitschrift Umwelt & Aktiv in Thüringen. Stein ist Pressesprecher der Deutschen Burschenschaft und Vorsitzender des rechten Kampagnen-Netzwerks „Ein Prozent für unser Land“.
Was steckt dahinter?
Das Zitat beschreibt eine organisch gewachsene natürliche Ordnung der Natur, in welche nicht zu stark eingegriffen werden sollte. Der Mensch wird innerhalb dieses Zitates als rein biologisches Wesen begriffen. Bei der Aussage handelt es sich deshalb um eine Variante des Sozialdarwinismus. Der Sozialdarwinismus ist einer der grundlegendsten Bestandteile eines rechtsextremen Weltbilds. Es geht um die Übertragung von Erkenntnissen aus der Evolutionslehre auf menschliche Gesellschaften und einen daraus resultierenden ewigen „Kampf ums Dasein“. Übertragungen aus der Biologie auf die menschliche Gesellschaft werden „Biologismus“ genannt.
Der englische Philosoph und Soziologe Herbert Spencer (1820–1903) wird als Gründer dieser Denktradition angesehen. Für ihn war das Prinzip „survival of the fittest“ (Überleben der am besten Angepassten) auch das Grundprinzip der menschlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Nach dieser Annahme gilt das „Recht des Stärkeren“ sowohl im Bereich der Wirtschaft als auch zwischen Individuen und Staaten.
Mit der Übernahme solcher Theorien durch Darwinisten wie Ernst Haeckel (1834–1919) kamen auch bald Vorstellungen von der Züchtung von Menschen dazu. Die Hypothese von der unterschiedlichen Wertigkeit menschlichen Lebens erfreute sich großer Beliebtheit und führte schließlich zu einer Politik der „Eugenik“ und „Rassenhygiene“ im NS-Regime. Die Nationalsozialisten rechtfertigten damit ihren Massenmord an Menschen, die aus ihrer Sicht weniger wert als andere waren. Entweder, weil sie nicht zum „deutschen Volk“ gehörten, wie jüdische Menschen, oder als „Belastung für den Volkskörper“ galten, wie Menschen mit Behinderungen und viele weitere Gruppen. Auch die Vernichtungskriege zur Gewinnung von „Lebensraum im Osten“ wurden sozialdarwinistisch damit gerechtfertigt, dass die natürliche Überlegenheit des „deutschen Volkes“ zu einer legitimen Ausbreitung des Gebietes führen müsse.
Wirtschaftliche Annahmen sich selbst regulierender freier Märkte, in denen sich die Stärksten durchsetzen, basieren letztlich auf dem gleichen Prinzip von der Einordnung in „natürliche“ Zusammenhänge. Wohlfahrtstaatliche Einrichtungen und Umverteilungsmaßnahmen dienen als Ausgleich und werden seit jeher von wirtschaftsliberaler wie auch von rechtsextremer Seite attackiert – bei den Rechtsextremen herrscht die Überzeugung von der Ungleichwertigkeit von Menschen zweifellos stärker vor.
Die Rollenbestimmung des Menschen als naturgegeben hat auch eine andere Funktion: Emanzipatorische Politik jeglicher Form wird von vornherein als „widernatürlich“ gekennzeichnet und damit delegitimiert. Traditionelle Vorstellungen von Gesellschaften und Menschen würden viel eher im Einklang mit der Natur sein.
Was lässt sich dem entgegnen?
Es ist richtig, dass der Mensch Teil der Natur ist. Aber der Mensch ist auch ein kulturelles und soziales Wesen. Er ist in der Lage, sich über vermeintlich natürliche Grenzen hinwegzusetzen. Er hat neben der biologischen auch eine kulturelle Evolution durchlaufen. Die Reduktion des Menschen auf seine biologischen Anteile kommt deshalb auch einer Leugnung der menschlichen Existenz gleich.
Außerdem ist die Kategorisierung von Menschen in verschiedene Rassen und damit auch in verschiedene Wertigkeiten wissenschaftlich längst widerlegt. Derartige Einteilungen oder Versuche der Legitimierung durch sozialdarwinistische Argumente lassen sich nicht mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde vereinen und müssen daher deutlich benannt und zurückgewiesen werden.
Ein demokratischer und menschenrechtsbejahender Umweltschutz begreift menschliche Bedürfnisse und umweltschützende Maßnahmen nicht als Gegensatzpaare. Er erkennt an, dass die Ausbeutung der Natur und die Ausbeutung des Menschen stets Hand in Hand gehen. Sein Engagement gilt deshalb der Natur und dem Menschen gleichermaßen.
„Die NaturFreunde üben bis heute Solidarität mit den ausgebeuteten Menschen und der ausgebeuteten Natur. Wir gehen von einem Verständnis aus, das die Natur als natürliche Mitwelt und das Zusammenleben der Menschen als soziale Mitwelt versteht. Soziale und ökologische Gerechtigkeit gehören in unserem Verständnis zusammen. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass die soziale Mitwelt nicht gegen die natürliche Mitwelt ausgespielt werden darf. Umgekehrt darf es auch keinen Gegensatz zwischen Ökologie und Sozialem geben. Vielmehr geht es darum, dass wir Verantwortung übernehmen – nicht nur für die Verhältnisse heute, sondern auch für gute soziale und ökologische Lebensbedingungen künftiger Generationen.“
NaturFreunde-Resolution „Schutz der natürlichen und sozialen Mitwelt“, Beschluss des 30. NaturFreunde-Bundeskongresses 2017
Der Artikel ist Teil des Leitfadens "Wenn Rechtsextreme von Naturschutz reden – Argumente und Mythen".