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Heimat

© Naturfreundejugend Deutschlands

„Deine Heimat ist das Meer
Deine Freunde sind die Sterne
Deine Sehnsucht ist die Ferne
Und nur ihnen bist du treu – ein Leben lang“
(Lolita, 1960)

„Die Welt, die fremde, lohnt mit Kränkung,
Was sich, umwerbend, ihr gesellt;
Das Haus, die Heimat, die Beschränkung,
Die sind das Glück und sind die Welt.“
(Theodor Fontane, 1895)

Der Begriff „Heimat“ lässt sich schwer fassen. Er ist kein Begriff, der sich klar definieren lässt. „Heimat“ ist vor allem ein persönliches Gefühl, das in der eigenen Lebensgeschichte einen zentralen Ort beschreibt. Nicht selten geht es bei dem regionalen Bezug auch um landschaftliche Eigenarten der Natur. Der Duden erläutert Heimat als „Land, Landesteil oder Ort, in dem man [geboren und] aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt (oft als gefühlsbetonter Ausdruck enger Verbundenheit gegenüber einer bestimmten Gegend)“. So weit, so gut. Viele Menschen verbinden mit dem Begriff Geborgenheit und Vertrautheit, aber auch Sehnsucht.

Die Brockhaus-Enzyklopädie definiert Heimat als Ort, „in den der Mensch hineingeboren wird, wo die frühen Sozialisationserfahrungen stattfinden, die weithin Identität, Charakter, Mentalität, Einstellungen und auch Weltauffassungen prägen“. Auch die Kulturanthropologie arbeitet an dem Begriff. Für den Sozialwissenschaftler Heiner Treinen muss hiermit nicht notwendigerweise der Ort verbunden sein, in dem die Sozialisierung eines Individuums stattgefunden habe. Der Tübinger Kulturwissenschaftler Helmut Bausinger betont, dass mit dem Begriff „gerade die Unschärfe und Mehrdeutigkeit des Gesagten die Kommunikation aufrechterhält und entlastet“. Heimat sei eine „räumlich-soziale Einheit mittlerer Reichweite, in welcher der Mensch ein Stück Sicherheit und Verlässlichkeit seines Daseins erfährt, ein Ort tiefsten Vertrauens“, und deshalb beschreibt Bausinger sie „als Gegensatz zu Fremdheit und Entfremdung, als Bereich der Aneignung, der aktiven Durchdringung, der Verlässlichkeit“. Für die Kulturanthropologin Ina-Maria Greverus war „Heimat“ ein Identitätsbegriff für eine heile Welt, „in der Dreiheit von Gemeinschaft, Raum und Tradition“. Diese Dreiheit würde „die menschlichen Bedürfnisse nach Identität, Sicherheit und aktiver Lebensgestaltung in einem kulturell gegliederten Territorium befriedigen“.

Mit Menschen über den Begriff „Heimat“ als persönlichen Erinnerungsbegriff zu diskutieren, ist schwierig. Die einen verbinden mit dem Begriff die Enge des Dorfes, ihre Erinnerungen an Elternhaus oder Kindheit, der sie in späteren Jahren entflohen sind, andere verbinden mit „Heimat“ ihre positivsten Kindheits- und Jugenderinnerungen. Dabei spielen tiefe persönliche Erfahrungen aus dem Leben sehr häufig eine positive, aber genauso oft auch eine negative Rolle. Heimat ist deshalb nicht objektiv definierbar, sondern für viele eine zutiefst persönliche Identifikation mit einem sozialen Ort ihrer ganz persönlichen Erfahrungen.

Der Heimatbegriff als gesellschaftliche Definition

Der Begriff „Heimat“ findet sich im alltäglichen Sprachgebrauch wieder: Heimatverein, Heimatfilm, Heimatmuseum, Heimatverbundenheit, Heimatchronik etc. In diesem Gebrauch soll er einen räumlichen Ort beschreiben, dem kollektive Eigenschaften wie Kultur, Tradition oder spezifische Eigenschaften zugewiesen werden. In Heimatmuseen werden naturkundliche, geschichtliche oder soziologische Ereignisse eines mehr oder weniger abgeschlossenen Raumes dargestellt und beschrieben. Würde Heimat als individueller Begriff verwendet, in dem Menschen versuchen, individuelle Gefühle und Lebenslagen von Lebensabschnitten auszudrücken, würde sich eine tiefere Diskussion erübrigen. Aber „Heimat“ wurde in den letzten Jahrhunderten auch ideologisch aufgeladen. Dass in Deutschland ein „Heimatministerium“ gegründet wurde oder es in den USA ein „Heimatschutzministerium“ gibt, zeigt, dass „Heimat“ nicht nur mit individuellen Gefühlen zu tun hat, sondern in manchen Staaten für die politische Aufladung von Forderungen benutzt wird. Ziel solcher „Heimatministerien“ ist es, einengende und meist abgrenzende Definitionen von kulturellen oder religiösen Traditionen für politische Überzeugungen zu nutzen. „Heimat“ wird in diesem gesellschaftspolitischen Kontext als Beziehung des Menschen zu einem bestimmten gesellschaftlichen oder natürlichen Raum verstanden. Politisch wird mit dem Begriff „Heimat“ versucht, Identität und angeblich vorhandene gesellschaftliche Grundüberzeugungen wie Glaube, Tugenden oder kulturelle Homogenität zu verbinden.

Von der Ortsbestimmung zum politischen Begriff

Während im Mittelalter unter dem Begriff „Heimat“ ein Wohnort, an dem Menschen lebten und Schutz fanden, verstanden wurde, veränderte sich die Begriffsbestimmung in den folgenden Jahrhunderten. Mit dem zunehmenden Nationalismus im 19. Jahrhundert wurde „Heimat“ und „Heimatliebe“ immer weiter politisch aufgeladen. „Heimat“ wurde mit einem staatlichen Gebilde, mit „Nation“ gleichgesetzt und mit einer positiven politischen Bezugnahme der Staatsbürger_innen auf dieses staatliche Gebilde verbunden. Den Bürger_innen dieser staatlichen Räume wurde im gesellschaftlichen Kontext eine unbedingte Liebe und Hingabe zur „Heimat“ durch die kulturellen, bildungspolitischen und gesellschaftlichen Institutionen des Staates vermittelt. Dadurch bildete sich eine identifikationsstiftende gesellschaftliche Grundausrichtung auf diese staatliche Heimat heraus.

Nach der 1848er Revolution mit dem Anspruch der Durchsetzung der „Deutschen Nation“ als Zusammenschluss aller Deutschen erhielt der Begriff „Heimat“ eine kulturalistische und politische Bedeutung. Der Bezug auf die „Heimat“ war in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert vor allem auch mit der beginnenden Industrialisierung und einhergehenden Auswanderung aus den ländlichen Gebieten in die urbanen Räume verbunden. Unmittelbar mit der zunehmenden Verstädterung und der sich entfaltenden Industriegesellschaft nahm die Verelendung und immer weitergehende Entfremdung größerer Teile der städtischen Gesellschaften zu. So entstand in den bürgerlichen Kreisen ein ideologischer Rückgriff auf eine Landromantik als ideologisches Gegenkonstrukt mit einer angeblichen Verbindung von Menschen, Natur und Boden. Kulturalistischen Ausdruck fand diese ideologische Ausrichtung in der Romantik mit ihrer Natur- und Bodenverherrlichung. Große Teile der damaligen Literatur waren antimodern, antiurban und gegen die „Entfremdung des Menschen“ von angeblichen Werten auf dem Lande gerichtet. „Heimat“ wurde gesellschaftspolitisch aufgeladen und zu einem Begriff der Bewegung gegen Aufklärung, Rationalität und Internationalität.

Infolge des ideologischen Gebrauchs des Heimatbegriffes durch den Faschismus wurde dieser in den 1960er Jahren von Teilen der politischen Linken als politischer Kampfbegriff abgelehnt, da mit ihm die politische Abgrenzung gegen das „Fremde, Städtische und Andere“ und eine Verklärung des gesellschaftlichen Verhältnisses von „Natur und Mensch“ verbunden wurde. Für große Teile der Gesellschaft war eine progressive Definition dieses Begriffes nicht vorstellbar. „Heimat“ wurde als starrer Begriff für die Beschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse mit einer unabänderlichen Identität und Herkunft verstanden, die sich der einzelne Mensch nicht aussuchen könne und mit der er durch eine angeblich schicksalhafte Verbindung zwischen Boden, Region und einer vorhandenen Kultur verbunden sei.

Der Begriff „Heimat“ wurde als Synonym für Ausgrenzung und Abgrenzung empfunden.

Gleichzeitig existierte mit dem Bund der Heimatvertriebenen in Parlamenten der Bundesrepublik bis Ende der 1960er Jahre eine revanchistische Partei, die ein „Recht auf Leben im Westen“ und ein Recht auf „Heimat im Osten“ (Polen, Sowjetunion) proklamierte.

Heimatbegriff in der globalen Welt

In der heutigen globalisierten Gesellschaft gewinnt der Begriff „Heimat“ für einen Teil der Gesellschaft wieder einen wichtigen Wert. Heimatverbundenheit bedeutet dabei für diesen Teil der Gesellschaft das Festhalten an Gewohntem, an Traditionen und an Homogenität. „Heimat“ erscheint hier als Gegensatz zu einer kosmopolitischen Idee der Verbindung von unterschiedlichen Kulturen und einer interkulturellen Gesellschaft mit sich stetig verändernden Normen und Werten. „Heimat“ wird so zum Gegenbegriff einer interkulturellen Gesellschaft, in der sich traditionelle Werte und Kulturen auflösen, in der die patriarchale Vorherrschaft des Mannes infrage gestellt wird und in welcher die freie Ausrichtung des Lebens der gesellschaftlichen Individuen als Gefahr für die Ausrichtung des eigenen Lebens gefürchtet wird. Einwanderung wird bei einer solchen gesellschaftlichen Überzeugung als Bedrohung der eigenen vermeintlichen Identität gesehen.

Der Begriff des „Heimatschutzes“, der in der Gründungsphase der Ökologie- und Naturschutzbewegung bereits synonym für den Schutz und die Pflege der Natur beziehungsweise der Kulturlandschaft benutzt wurde, hatte eine primär ästhetisch und kulturalistisch ausgerichtete Definition von Landschaftsschutz. In diesem Kontext wurden „Landschaften“ nach Kategorien und Idealen beurteilt und in einen „volkskundlichen“ Zusammenhang gestellt, in dem „Naturdenkmäler“ wie besonders prägnante Hecken, Bäume oder natürliche Orte geschützt werden sollten. „Heimat“ ist auch ein politischer Begriff für ein konservatives bis reaktionäres Festhalten an vermeintlichen „deutschen“ oder „abendländischen“ kulturellen und politischen Werten. „Heimat“ wird mit einer verengten Identität aufgeladen, in der angeblich Fremdes als störend und gefährlich empfunden wird. Mit einer solchen gesellschaftlichen Definition von „Heimat“ wird dieser Begriff von einem individuellen Gefühl zu einem gesellschaftspolitischen Begriff, mit dem politische Entwicklungen beschrieben und gesellschaftliche Handlungen assoziiert werden.

„Heimat“ ist ein schwieriger Begriff, der sich zwischen individuellen Gefühlen und politischer Aufladung durch verschiedene gesellschaftliche Gruppen bewegt. Solange Menschen damit ihre ganz individuellen Erlebnisse und ihre eigene persönliche Entwicklung beschreiben, ist er eine persönliche Erfahrung, die schwer hinterfragt werden kann. Wird er jedoch politisch und gesellschaftlich aufgeladen, erscheint eine Diskussion über die Verwendung dieses Begriffs mehr als notwendig.

Uwe Hiksch

Der Autor ist Mitglied des Bundesvorstands der NaturFreunde Deutschlands und des Fachbeirats der Fachstelle für Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN).

Der Artikel ist Teil der Handreichung "Rechtsextreme Ideologien im Natur- und Umweltschutz".

 

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