Eine unbeschwerte Kindheit mit vielen Freizeitaktivitäten draußen an der frischen Luft, Ausflügen in die Natur oder überhaupt ein Wohnort weit weg von größeren Städten. Wer mit der Erfahrung und dem direkten Erleben einer artenreichen Natur aufgewachsen ist, möchte diese Erfahrungen oft auch für die nachfolgenden Generationen erhalten. Da ist es dann logisch, sich im Natur- und Umweltschutz zu engagieren, bio und fair einzukaufen, sich vegetarisch oder gar vegan zu ernähren und wenn möglich den Konsum in regionalen Wirtschaftskreisläufen zu organisieren. Damit alle Menschen ähnlich schöne Erlebnisse in der Natur haben können und natürlich, damit wir unsere Lebensgrundlage nicht zerstören.
Dies sind übliche Elemente eines alternativ-ökologischen Lebensstils und die beschriebenen Beweggründe werden gemeinhin mit progressivem Denken und dem Einsatz für die Menschenrechte verbunden. Aber leider trifft das nicht immer zu. Auch die extreme Rechte setzt sich für den Schutz der Umwelt, der Natur und – bei ihr ganz wichtig – der Heimat ein.
Es gibt kaum ein Thema im Kontext des Natur- und Umweltschutzes, das nicht von rechts bedient wird. Rechte beteiligen sich bei Demonstrationen gegen Atomenergie und grüne Gentechnik, so zum Beispiel bei der „Wir haben es satt“-Demo. Sie sind gegen TTIP, kritisieren das kapitalistische und ein rein auf Wachstum basierendes Wirtschaftssystem und plädieren für eine ökologische Landwirtschaft und eine artgerechte Tierhaltung.
Auch wenn ihre Ziele und teils auch Argumente auf den ersten Blick ganz ähnlich klingen wie die von vielen demokratischen Akteur*innen, ist ihr Engagement nicht verbunden mit dem Schutz von Menschenrechten, sondern grenzt alle als irgendwie anders wahrgenommenen Menschen radikal aus. Was ihr Engagement ausmacht und wo die klaren Unterschiede zu einem demokratischen und menschenbejahenden Natur- und Umweltschutz liegen, wird in diesem und den nachfolgenden Texten genauer dargestellt. Um zu verstehen, auf welchen Ideen ihr Denken und Handeln fußt, müssen und wollen wir aber zunächst einmal einen Blick in die Geschichte werfen.
Antidemokratische Traditionen
Neu ist das Engagement der extremen Rechten für ökologische Themen nicht. Die Geschichte des deutschen Natur- und Umweltschutzes ist lang, und hier entdecken wir immer wieder den Einfluss von extrem rechten Personen und völkischen oder rassistischen Ideen.
Die erste deutsche Naturschutzbewegung ist im Kaiserreich Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Die führenden Personen in dieser Bewegung setzten sich jedoch nicht allein für den Naturschutz ein, sondern verbanden diesen mit dem Heimatschutz. Das bedeutete, dass nicht nur die heimische Landschaft vor allzu starken Auswirkungen der Industrialisierung und dem Tourismus geschützt werden sollten, sondern auch gesellschaftliche Verhältnisse vor Veränderung. Der Heimatschutz war stark rückwärtsgewandt und wehrte sich gegen Gleichberechtigung, soziale Rechte, Migration und nicht zuletzt gegen das Judentum und seinen angeblichen Einfluss auf die Zerstörung der Heimat und der Natur.
Bei Anhänger*innen dieser Bewegung herrschte die Vorstellung, dass Menschen mit ihrer Geburt Teil einer Art ortsgebundenen Ökosystems würden und mit diesem untrennbar verbunden seien. Also geht in ihren Augen der Schutz der Natur Hand in Hand mit dem Schutz des eigenen Volkes. Gleichzeitig kann diese Vorstellung als Argument gegen jegliche Migration genommen werden, denn Menschen aus anderen Ländern würden demnach nicht in die deutsche Landschaft passen. So ist Heimatschutz historisch gesehen verknüpft gewesen mit der Vorstellung eines „raumgebundenen“ Volkes, mit dem Glauben an das vermeintlich Eigene und Fremde und mit der Überzeugung, dass das Eigene vor dem Fremden bewahrt werden müsse.
In der extremsten Form haben diesen Gedanken wohl die Nationalsozialist* innen weitergeführt und große Teile ihrer Politik danach ausgerichtet. Dort nannte man das „Blut und Boden“. Diese „Blut und Boden“-Ideologie basiert auf der Verknüpfung einer „reinen arischen“ Abstammung mit einem vermeintlich dazugehörenden Siedlungsgebiet. Darüber hinaus wollten die Nationalsozialist*innen das deutsche Volk in naturnahen kleinbäuerlichen Gemeinschaften organisieren, wofür sie mehr „Lebensraum“ brauchten. Für diese Ideen wurde ein Vernichtungskrieg in Osteuropa mit grausamen Verbrechen geführt. Nachdem die dort lebenden Menschen ermordet oder deportiert wurden, planten sogenannte Landschaftsanwälte und Landschaftsarchitekten „deutsche“ Landschaften für das „deutsche Volk“.
Mit dem Ende des NS-Regimes lebten diese Ideen genauso wie viele ihrer prominenten Vertreter*innen weiter. Diese fanden entweder ihren Weg in wissenschaftliche Einrichtungen und demokratische Naturschutz- und Umweltverbände oder gründeten dezidiert rechtsextreme Organisationen zum Schutz der Natur. Ein Beispiel ist der „Weltbund zum Schutz des Lebens (WSL)“. Hier wurden nicht nur alte Heimatschutz- und „Blut und Boden“-Argumente vertreten, sondern es wurde auch auf neue Entwicklungen wie dem Bau von Atomkraftwerken und dem Einsatz von Giften in der Landwirtschaft reagiert. Auf den ersten Blick fortschrittliche Bedenken für den Anfang der 1960er Jahre. Auf den zweiten Blick wird klar, dass es hierbei um völkische und rassistische Anliegen und den Schutz des „deutschen Volkes“ ging. So argumentierten sie, dass die möglichen Folgen von radioaktiver Strahlung möglichst eingeschränkt werden sollten, um ein „genetisch starkes Volk“ und die „weiße Herrenrasse“ zu erhalten. Aber wie sieht es nun heute aus?
Antidemokratische Argumente
Die Argumentationen gegen Atomenergie der extremen Rechten sind seitdem im Wesentlichen die gleichen geblieben. Das „Volk“ ist das wichtigste, und wenn Atomkraft schädlich für das Volk ist, dann wird sie abgelehnt.
Das Gleiche gilt auch für Gentechnik in der Landwirtschaft. Gentechnik stellt einen Eingriff in die Natur dar und dieser kann sich auch auf Menschen auswirken, wenn man gentechnisch veränderte Nahrung zu sich nimmt. Eins ist klar: Die möglichen Folgen und Gefahren von Gentechnik und Atomenergie für Mensch und Umwelt sind nicht zu leugnen, also ist eine vorsichtige oder ablehnende Haltung durchaus berechtigt. Aber Rechtsextreme lehnen diese ab, weil es ihnen dabei um die Sorge und den Schutz des „deutschen Volkskörpers“ geht und nicht, weil sie diese Gefahren von allen Menschen abwehren wollen.
Hinzu kommt die Ablehnung von internationalen Konzernen, wie zum Beispiel dem amerikanischen Konzern Monsanto (inzwischen Teil der deutschen Bayer AG). Bei aller berechtigten Kritik an solchen Konzernen, müssen wir auch hier wieder auf die Motive und Hintergründe schauen. Im völkischen Denken steht das Volk und dann auch die Nation im Vordergrund und über anderen Nationen. Globalisierung und internationale Wirtschaft werden als Eingriff in die eigene Unabhängigkeit gesehen und größtenteils abgelehnt. Angeblich würden jüdische Menschen sämtliche Börsen und Firmen kontrollieren, was nachgewiesenermaßen Unsinn ist, aber sich als Verschwörungstheorie seit mehr als 100 Jahren hält. So steckt hinter dieser Kritik oft ein offener Anti-Amerikanismus und Antisemitismus.
Tierliebe als Deckmantel
Die ethische Frage nach dem Umgang mit anderen Lebewesen wird schon lange diskutiert. Darf man Tiere essen und, falls ja, welches Leben soll ihnen vorher ermöglicht werden? Auch an diese Fragen knüpfen Rechtsextreme an und engagieren sich für Tierrechte. Doch auch hier wird bei genauerem Hinschauen deutlich, dass es ihnen bei ihrem Engagement in erster Linie darum geht, ihre Verachtung für Menschen muslimischen und jüdischen Glaubens zum Ausdruck zu bringen. In nahezu allen Parteien und Gruppierungen der extremen Rechten finden sich Forderungen nach dem Verbot des religiösen Schächtens. Schächten ist das betäubungslose rituelle (heute mit Kurzzeitbetäubung betriebene) Schlachten von Tieren im Judentum und Islam. Hierbei ist wichtig zu wissen, dass es dafür eine Berechtigung braucht und dies nur von entsprechend ausgebildeten Menschen durchgeführt werden darf.
Der Einsatz für Tierrechte und das Führen der Diskussion darüber, ob es überhaupt ein ethisch korrektes Schlachten gibt, ist natürlich berechtigt. Doch auch hier ist die Kritik von der extrem rechten Seite rassistisch, antisemitisch und antimuslimisch begründet. Es geht also nicht wirklich um das Wohl der Tiere, sondern um die Ausgrenzung von Menschen, die nicht in eine völkische Vorstellung von Gesellschaft passen. Das lässt sich übrigens auch seit Mitte des 19. Jahrhunderts mit den ersten Tierschutzvereinen nachweisen und kam exakt so in der NS-Propaganda vor.
Hier könnten nun viele weitere Beispiele folgen, etwa zum Thema Schutz des Waldes, ökologischer Landbau bis zur Forderung nach einer Postwachstumsgesellschaft. Eines ist wohl bereits klar geworden: Es gibt viele gute und teils sehr unterschiedliche Gründe, sich für den Schutz von Natur, Umwelt und Tieren einzusetzen. Doch es gibt auch solche, die verbunden sind mit Menschen- und Demokratiefeindlichkeit. Deshalb ist es notwendig und wichtig, immer genau auf die Motive und Hintergründe zu schauen, warum sich jemand für bestimmte Themen einsetzt. Denn der Verzicht auf Demokratie und Menschenrechte kann und darf nicht der Preis für Natur- und Umweltschutz sein.
Weiter lesen
Bierl, Peter: Grüne Braune
Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Naturschutz und Rechtsradikalismus
FARN: Aspekte Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Natur- und Umweltschutz. Eine Diskussion
FARN: Rechtsextreme Ideologien im Natur- und Umweltschutz. Eine Handreichung
FARN: Wenn Rechtsextreme von Naturschutz reden - Argumente und Mythen. Ein Leitfaden
Landeszentrale für Umweltaufklärung Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Naturschutz gegen Rechtsextremismus - eine Argumentationshilfe
Klara Kauhausen & Yannick Passeick
Die Autor*innen sind Bildungsreferent*innen der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN).
Der Artikel ist Teil der Broschüre Love Nature. Not Fascism. Demokratischen Umwelt- und Naturschutz gestalten.