Der ländliche Raum ist für völkische Kräfte ein wichtiger Ort für ihre rassistische Politik. Schon seit Beginn der völkischen Bewegung Ende des 19. Jahrhunderts wird ein Gegensatz zwischen Stadt und Land konstruiert. Die Stadt wird als Zeichen von Moderne, Technik und Diversität abgelehnt. Das naturnahe ländliche Leben in ethnisch-homogenen Siedlungen, wehrhaft gegenüber fremden Einflüssen, galt und gilt nach wie vor als Ideal rechter Siedlungsprojekte.
Um diese Vorstellung zu verwirklichen, betreiben antidemokratische Rechte eine strategische „rechte“ beziehungsweise „völkische Landnahme“. Damit ist einerseits ganz praktisch der Zuzug von ideologisch Gleichgesinnten in den ländlichen Raum gemeint und andererseits die Landnahme als Teil einer sogenannten „Kulturrevolution von rechts“.
In nahezu allen Bundesländern siedeln sich in strukturschwachen Räumen völkische Familien an und betreiben dort beispielsweise Bio-Höfe oder führen Handwerksbetriebe. Als bekanntes Beispiel gelten die Neo-Artamanen in Mecklenburg-Vorpommern oder in der Lüneburger Heide. Aber nicht nur aus dem Spektrum der völkischen Siedler und Neonazis wird rechte Landnahme betrieben – auch neu-rechte Vereine wie „1 Prozent“ oder die rechts-esoterische Anastasia-Bewegung fördern das Besiedeln des ländlichen Raums, um dann vor Ort in Vereinen, Gemeinden und Erziehungseinrichtungen aktiv ihre menschenverachtenden Ansichten zu verbreiten.
Hier werden die theoretischen Überlegungen einer Kulturevolution von rechts als rechter Kulturkampf ganz praktisch umgesetzt. Dahinter steht die Absicht, auf allen gesellschaftlichen Feldern eine Diskursverschiebung nach rechts zu erreichen. Nach und nach soll die vorherrschende Gesinnung im ländlichen Raum völkisch dominiert und der rechte Traum einer bäuerlich geprägten ethnisch-homogenen Gesellschaft wahr werden.
Wahlergebnisse rechter Parteien im ländlichen Raum im Vergleich zu Städten zeigen, dass diese Strategie in Teilen aufgeht oder zumindest das Potenzial von Erfolgen vorhanden ist. Umso wichtiger ist es also für demokratische Kräfte, strukturschwache Gebiete rechten Landnehmer*innen nicht als ungestörte Rückzugsräume zu überlassen.